In demokratischen Gesellschaften haben die Massenmedien eine Integrationsfunktion, sie sollen gewährleisten, dass unterschiedliche Gruppen an einer gemeinsamen Öffentlichkeit teilhaben können. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien haben nach dem Medienstaatsvertrag den Auftrag, ihr Angebot möglichst barrierefrei zu präsentieren. Für Menschen mit eingeschränkter Literalität gibt es aber dennoch bislang kein umfassendes journalistisches Angebot. Dies hängt auch damit zusammen, dass die wissenschaftlichen Grundlagen für die Entwicklung eines Angebotes fehlen, das Thema ist national und international weitgehend ein Forschungsdesiderat.
Forschung gibt es vor allem zum allgemeinen Gebrauch Leichter und Einfacher Sprache aus linguistischer Perspektive, die die Besonderheiten journalistischer Information (z.B. Relevanzkriterien, Aktualität) nicht berücksichtigt. In diese Forschungslücke stößt dieses Projekt.
Leichte Sprache ist eine barrierearme Sprachform, die sich insbesondere an Menschen mit kognitiven Einschränkungen richtet. Sie zeichnet sich auch durch ihre visuelle Aufbereitung aus, einschließlich des Einsatzes von Piktogrammen, erläuternden Bildern und größerer Schrift. Ein zentrales Element ist, dass Vertreter:innen der Zielgruppe als sogenannte „Prüfer:innen“ ausgebildet werden, die Texte, die in Leichter Sprache geschrieben wurden, kritisch gegenlesen und Änderungen anregen. Es gibt verschiedene wissenschaftliche Konzepte, die mehr oder weniger strenge Regelwerke vertreten, so dass die Umsetzung in den fertigen Texten durchaus unterschiedlich sein kann.
Einfache Sprache
Einfache Sprache, oft im Zusammenhang mit Leichter Sprache genannt, dient ebenfalls dem Ziel der Verständlichkeit. Sie reduziert sprachliche und inhaltliche Komplexität, um Texte zugänglicher zu machen. Einfache Sprache ist komplexer als Leichte Sprache und kommt einer breiteren Adressat:innenschaft zu gute.
Hintergrund
Etwa zwölf Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland verfügen über eine nur geringe Literalität. Das heißt, ihre Lese- und Schreibkompetenzen sind so eingeschränkt, dass sie für eine volle gesellschaftliche und politische Teilhabe nicht ausreichen. Für diese Menschen sind Artikel in den journalistischen Medien schwer zu lesen, was ein Grund dafür sein kann, dass sie sich seltener über politische Themen austauschen und seltener zu einer Wahl gehen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Ursache für die Einschränkungen der Literalität sind Krankheiten, Behinderungen oder auch die Tatsache, dass Deutsch nicht die Muttersprache ist.
Fallstudiendesign
Das Projekt untersucht in qualitativen Fallstudien
mit Menschen mit Behinderung sowie
Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben gelernt haben und
Geflüchteten
die Rezeption von journalistischen Angeboten in Leichter und Einfacher Sprache, die Anforderungen, die von den Personengruppen an die Beiträge gestellt werden und erfragt bevorzugte Medien und Plattformen.
Unser Forschungsteam
Prof. Dr. Friederike Herrmann
Projektleitung
Steffen Grütjen, M.A.
Projektkoordination
Jun.-Prof. Dr. Karin Boczek
Kooperationspartnerin
Prof. Dr. Liane Rothenberger
Kooperationspartnerin
Prof. Dr. Annika Sehl
Kooperationspartnerin
Milan Skusa, M.A.
Kooperationspartner
Sophie Hepach
Studentische Hilfskraft
Carolin Eitel
Studentische Hilfskraft
Maximilian Greger
Webmaster
Praxispartner
„nachrichtenleicht“ des Deutschlandfunks
Als Praxispartner fungiert der Deutschlandfunk mit seinem Angebot „nachrichtenleicht“. „nachrichtenleicht“ bietet Nachrichten in Einfacher Sprache an, die als Wochenrückblick (freitags, 19:04 Uhr) im Radio ausgestrahlt werden, als Podcast zur Verfügung stehen und darüber hinaus seit Januar 2023 verstärkt auf Instagram ausgespielt werden. Alle Beiträge entstehen innerhalb der Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks.
Eine Redaktionsbeobachtung eruiert die Integration von KI-gestützten Anwendungen der Einfachen oder Leichten Sprache in den redaktionellen Arbeitsablauf. Im Sinne eines Transfers in die Praxis sollen die Ergebnisse des Projektes genutzt werden, um Kriterien insbesondere für journalistische Relevanz und Aktualität bei Nachrichten in Leichter und Einfacher Sprache zu entwickeln und KI zielgerecht einzusetzen.
Vom 11. bis 13. September 2024 fand in Berlin die Jahrestagung der Fachgruppen „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht“ sowie „Journalistik/Journalismusforschung“…